Aliceschule

Selbstverpflegungskonzept an der Aliceschule – samt Müsli- und Salatbar (Gießen)

An der Aliceschule in Gießen kümmern sich die Schülerinnen und Schüler selbst um das Frühstücks- und Mittagessensangebot. Wöchentlich sind rund 120 Schülerinnen & Schüler sowie 8 Lehrkräfte im „Bistro Alice“ beschäftigt. Neben gesunder Ernährung stehen an gesundheitsförderlichen Schule (Auszeichnung seit 2010) die Themen Prävention und Gesundheitsförderung als ganzheitlicher Ansatz im Mittelpunkt.

Im Rahmen der Selbstbewirtschaftung erlernen die Schülerinnen und Schüler Teamfähigkeit und Kollegialität.

Annegret Schadeck Aliceschule

Eckdaten der Schule

Schule:                           Aliceschule – Berufliche Schule der Universitätsstadt Gießen

Schulprofil:                    Berufliche Schule der Universitätsstadt Gießen

Anschrift:                       Gleiberger Weg 16, 35398 Gießen

Schulleitung:                 Martina Röder

Schulträger:                  Stadt Gießen

Schulart:                        Berufliche Schule (berufliches Gymnasium, Fachschule für Sozialwesen – Fachrichtung Sozialpädagogik, höhere Berufsfachschule für Sozialassistenz, Fachschule für Sozialwesen – Fachrichtung Heilpädagogik, Zweijährige Berufsfachschule – Schwerpunkte Ernährung + Hauswirtschaft, Körperpflege, sozialpädagogische und sozialpflegerische Berufe, Bildungsgänge zur Berufsvorbereitung – Fachrichtung Ernährung + Körperpflege, Berufsschule Teilzeit – Lebensmittelhandwerk – Bäckerei und Fleischerei – und Friseurhandwerk)

Schülerschaft:               1075 Schülerinnen und Schüler (Stand 08.2020)

Anzahl Essen pro Tag: Mittagessen: ca. 60, Essen inkl. Müslibar und Pausenverkauf mit Snacks und belegten Brötchen: ca. 300

Verpflegungssystem:   Frischküche (SchülerInnen kochen für SchülerInnen), Selbstbewirtschaftungskonzept

Das Interview

Annegret Schadeck ist Fachlehrerin für Hauswirtschaft und betreut gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen das Konzept „Schüler kochen für Schüler“. Im Interview berichtet sie über das Verpflegungsangebot an der Aliceschule und darüber, wie das Konzept der Selbstbewirtschaftung, das zahlreiche Aufgabengebiete wie Wareneinkauf, Lagerung, Zubereitung, Hygiene, Verkauf, Kalkulation und Marketing umfasst, umgesetzt wird.

Schüler kochen für Schüler / Zertifizierung ‚Gesundheitsfördernde Schule‘ / Müslibar / Salatbar / Schulkiosk

Wir haben nachgefragt!

Vor 2009 hatten wir im Schulhaus weder eine Aula noch eine Mensa. Alle Versammlungen wurden daher im großen Treppenhaus abgehalten. Als Gelder für den Aulabau vorhanden waren, kam der Wunsch nach einem ansprechenden Verpflegungsanbot von Schülerinnen und Schülern sowie der Lehrkräfte auf. Daraufhin erarbeiteten alle gemeinsam ein Konzept für eine Selbstbewirtschaftung und konnten den damaligen Schulleiter damit schnell überzeugen. Klar war dabei von Anfang an: Die Bewirtschaftung des Bistros soll komplett in Schülerinnen- und Schüler-Hand liegen und alle Gewerke miteinbinden. So können beispielsweise Auszubildende für die Berufe der Metzgerei- sowie Bäckerei-Fachverkäuferinnen und -Fachverkäufer ihr theoretisch erlerntes Wissen unmittelbar in der Praxis umsetzen. Nichtsdestotrotz wurden der Aufenthaltsraum und die Küche so gebaut, dass die Verpflegung – falls irgendwann nötig – jederzeit durch einen Caterer durchgeführt werden kann.

Letztendlich hat der Zusammenschluss vieler Beteiligter dafür gesorgt, dass wir die Selbstbewirtschaftung heute so erfolgreich umsetzen können.

Wie auch beim Entstehungsprozess ist bei der tagtäglichen Umsetzung des Konzepts die Zusammenarbeit vieler Einzelner gefragt. Hierfür übernehmen die einzelnen Klassen gemeinsam mit ihren Lehrkräften verschiedene Verpflegungstage. Ich selbst kümmere mich beispielsweise dienstags mit der einjährigen Berufsfachschule und donnerstags mit der Oberstufe der zweijährigen Berufsfachschule um die Bewirtschaftung. Die Gruppen umfassen immer zwischen 8 und 16 Personen. Während der achtstündigen „Schicht“ kümmern sich die Schülerinnen und Schüler um alles, was mit der Verpflegung an der Schule zusammenhängt. Morgens werden beispielsweise für die Müslibar Obst geschnitten oder Brötchen für den Kiosk belegt. Gegen Mittag geht es dann an das Befüllen der Salatbar sowie die Zubereitung der warmen Gerichte.

Das Bistro wird durch das Berufsvorbereitungsjahr, die einjährige und zweijährige Berufsfachschule bewirtschaftet. Die Wochentage sind, fest im Stundenplan verankert, den verschiedenen Schülerinnen- und Schülergruppen zugeordnet. Die Verantwortungsbereiche rotieren zwischen den Schülerinnen und Schülern so, dass jede und jeder alle Aufgabenbereiche im Bistro kennenlernt. Außerdem finden Projekte der Bäckerinnen und Bäcker sowie Fleischerinnen und Fleischer und Verkäuferinnen und Verkäufer im Lebensmittelhandwerk aus dem Berufsschulbereich im Bistro statt.

Für eine erfolgreiche Selbstbewirtschaftung bedarf es einer präzisen Aufgabenteilung.

Die Schülerinnen und Schüler übernehmen alle Aufgaben selbst. Das bedeutet: Neben der Speisenherstellung liegen auch Kostenkalkulation, Einkaufsplanung, Lagerung, Essensausgabe, Reinigung sowie der Verkauf und das Marketing in Schülerinnen- und Schülerhand. Diese Aufgaben werden zu Beginn mit allen Beteiligten im Vorbereitungsraum besprochen und aufgeteilt. Dabei sorgen die begleitenden Lehrkräfte dafür, dass jede und jeder Jugendliche im Verlauf des Schuljahres alle Aufgabengebiete durchläuft.

Bei der Selbstbewirtschaftung setzen die Schülerinnen und Schüler also vielfältige Fähigkeiten ein und lernen Neues. Zum Beispiel werden für die Speiseplanung Rezepte gesucht, eventuell angepasst und umgeschrieben. Als nächstes werden die Vorräte kontrolliert und eine Einkaufsliste angefertigt. Diese gilt es gut zu strukturieren, z.B. nach Lebensmittelgruppen. Der Einkauf erfolgt als solcher als einzige Aufgabe durch die Lehrkräfte nach Erhalt der Einkaufslisten der Schülerinnen und Schüler. Weitere Aufgabengebiete umfassen das Waschen von Handtüchern und Schürzen, die bei der Essenszubereitung benötigt werden sowie die Reinigung der Küche. Auch hier gibt es keine externen Beschäftigten oder externes Reinigungspersonal, da diese Aufgaben zur Bewirtschaftung dazugehören und eigenständig erledigt werden sollen. Auf diese Weise lernen die Schülerinnen und Schüler einen kompletten Tag im Hinblick auf die Verpflegung zu gestalten.

Wichtig ist uns, dass wir offen für neue Ideen, Anregungen sowie Kritik bleiben. Dafür versammeln sich Schülerinnen- und Schülervertretung, Elternbeirat sowie Bistrorat vierteljährlich und besprechen, ob die Verpflegung im Interesse aller gut umgesetzt wird und was zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität in Bezug auf die Schulverpflegung beigetragen werden kann.

Der Bistrorat setzt sich aus Schulleitung, Bistrokollegeninnen und -kollegen sowie einer Vertreterin oder einem Vertreter der Innung zusammen und ist für Gäste immer offen.

Das Verpflegungsangebot startet täglich mit der Müslibar sowie dem Verkauf am Kiosk. Hier gibt es frisch belegte Brötchen, Pizzastücke oder Croissants. Besonders schön ist es, wenn die Schülerinnen und Schüler der Bäckerinnen- und Bäcker-Ausbildung Backwaren für den Verkauf herstellen. Neben diesem Standardangebot realisieren die Jugendlichen regelmäßig Zusatzangebote – zum Beispiel Köstlichkeiten aus verschiedenen Ländern und Kulturen. 

Die Müslibar steht von 9.30 Uhr bis 11.30 Uhr bereit, anschließend ist die Salatbar bis 13.30 Uhr geöffnet. Von 13.00 bis 13.30 Uhr findet anschließend täglich der Mittagstisch mit zwei verschiedenen warmen Mahlzeiten plus Salatbar statt. Leitungswasser steht den Essensteilnehmenden kostenlos zur Verfügung. Zusätzlich können Apfelsaftschorle und ACE-Saft erworben werden.

An der Müslibar stehen täglich mindestens sechs verschiedene Obstsorten zur Auswahl. Neben der Frische – wir verwenden beispielsweise kein Obst aus Konserven – steht dabei die Saisonalität im Fokus. Besonders beliebt sind im Juni daher frische Erd- oder Himbeeren. Äpfel und Birnen gibt es zudem das ganze Jahr über sehr oft – vorzugsweise direkt von Bauernhöfen aus der Umgebung. Um die Akzeptanz für das Verpflegungsangebot zu erhöhen, ergänzen wir dieses regionale und saisonale Angebot mit exotischen Früchten, wie beispielsweise Banane und Ananas. Neben der beschriebenen Obstvariation stehen gesunde Frühstücksflocken sowie Milch und Joghurt bereit.

Aufgrund der Mischkalkulation kostet eine Portion an der Müslibar für Schülerinnen und Schüler sowie für Lehrkräfte jeweils 1,50 Euro. Die Essensgäste können sich ihre Portionen selbst zusammenstellen und müssen diese nicht abwiegen.

An der Müslibar kann sich jede und jeder nach Herzenslust bedienen. Der Genuss eines gesunden, vollwertigen und leckeren Frühstücks steht also immer im Fokus und ist der größte Pluspunkt der Müslibar.

Im Augenblick können wir die laufenden Kosten gut decken.

Auf Seiten der Schülerinnen und Schüler stellt die Teamarbeit und Kollegialität untereinander oftmals eine große Herausforderung dar. Ohne ein intaktes Zusammenarbeiten können nicht alle anstehenden Aufgaben rechtzeitig erledigt werden. Gleichzeitig bietet die Herausforderung der Teambildung eine gute Gelegenheit, die Arbeit innerhalb einer Gruppe zu lernen. Am Ende jedes Schuljahres findet die Prüfung daher auch als Teamprüfung statt. Das heißt, die Schülerinnen und Schüler kümmern sich als Gruppe an einem ganzen Tag um die Verpflegung ihrer Mitschülerinnen und -schüler.

Eine Herausforderung für die Schule ist zudem der Hygieneaspekt. Da es sich um eine Gemeinschaftsverpflegung handelt, müssen alle Schülerinnen und Schüler, die in der Küche arbeiten, eine Hygienebelehrung absolvieren. Hierfür kommen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitsamts an die Aliceschule und führen diese mit allen Beteiligten durch. Die Kosten hierfür müssen anschließend von der Schule getragen werden.

Im Rahmenlehrplan des Berufsvorbereitungsjahres und der zweijährigen Berufsfachschule sind Abschlussprüfungen vorgeschrieben und in der einjährigen Berufsfachschule erhalten die Schülerinnen und Schüler ein zusätzliches Zertifikat zum Zeugnis.

Wie auch an der Müslibar, für die pro Portion 1,50 Euro erhoben wird, läuft die Preisbildung an der Salatbar über eine Mischkalkulation. Die Essensgäste zahlen beispielsweise für einen großen Salat 1,80 Euro und für eine kleine Portion 0,90 Euro. In diesem Preis ist ein saisonal wechselndes Salatangebot enthalten, denn während es im Sommer vermehrt Radieschen, Mairübchen, Kohlrabi und Co. zur Auswahl gibt, sind es im Winter Feldsalat, Weißkohl oder Karotten.

Die Preise für das Mittagsgericht wechseln dagegen täglich – sind aber nie teurer als 3,80 Euro. Meist kostet beispielsweise das vegetarische Gericht weniger als die Variante mit Fleisch oder ein Linseneintopf weniger als ein Gericht mit Braten.

Im Rahmen von Bildung und Teilhabe werden die Mittagessenskoste für die entsprechenden Schülerinnen und Schüler vom Jobcenter oder dem Landkreis übernommen. Spenden von Vereinen sind immer herzlich willkommen.

Eine vorherige Anmeldung zum Mittagessen besteht nicht, wir produzieren anhand der Erfahrungswerte der vergangenen Jahre, das kann natürlich auch einmal bedeuten, dass es für den Letzten leider kein warmes Mittagessen mehr gibt. Es kann immer bar bezahlt werden oder mit dem Schülerausweis der Aliceschule, welcher bequem von zu Hause aus aufgeladen werden kann. Damit geht der Bezahlvorgang natürlich wesentlich schneller.

Das Speisenangebot ist nach dem DGE-Qualitätsstandard für die Schulverpflegung zertifiziert. Da die Schülerinnen und Schüler im Normalfall nur für ein Schuljahr in der Küche tätig sind, spielen sie bei der Berücksichtigung der DGE-Qualitätsstandards für die Schulverpflegung eine untergeordnete Rolle. Die betreuenden Lehrkräfte achten bei der Rezeptauswahl auf die Einhaltung der Qualitätsstandards, besprechen diese mit den Schülerinnen und Schülern und wandeln die Rezepte bei Bedarf gemeinsam ab. Um ein ausgewogenes und gesundes Verpflegungsangebot zu gewährleisten ist diese pädagogische Führung durch die Lehrerkräfte von großer Bedeutung.

Im Hinblick auf die Allergene, stehen die Schülerinnen und Schüler wiederum in der Verantwortung, diese jede Woche in den angebotenen Gerichten zu erkennen und zu kennzeichnen. Um diese Aufgabe verlässlich übernehmen zu können, lernen die Schülerinnen und Schüler die Allergene im Unterricht kennen. Abschließend ist dies auch Teil der Abschlussprüfung am Schuljahresende.

Eine Einführung ist nicht nötig, da alle betreuenden Lehrkräfte über eine entsprechende, fachlich qualifizierte Ausbildung verfügen.

Eine gesunde Ernährung wird an der Aliceschule großgeschrieben. 2016 wurde die Schule bereits zum zweiten Mal vom hessischen Kultusministerium mit dem Gesamtzertifikat „Gesundheitsfördernde Schule“ ausgezeichnet. Eine Würdigung der Schulen mit der Gesamtzertifizierung erfolgt grundsätzlich, wenn gesundheitsfördernde Maßnahmen aus mindestens vier von fünf Bereichen umgesetzt und damit mindestens vier von fünf Teilzertifikate erworben wurden. 

An der Aliceschule sind uns alle dieser fünf Bereiche wichtig: Bewegung & Wahrnehmung, Ernährung & Konsum, Sucht & Gewaltprävention, Verkehr & Mobilität sowie Lehrkräftegesundheit. Daher integrieren wir alle in den schulischen Alltag und sind sehr stolz, dass dies durch die Auszeichnung zur „Gesundheitsfördernden Schule“ honoriert wird.

Wir haben in den letzten Jahren folgende Projekte umgesetzt bzw. sie werden in Intervallen wiederholt:

  • Gesundheits- und Bewegungstage mit den Berufsschulklassen
  • Innovatives Selbstbewirtschaftungskonzept im „Bistro Alice“
  • Schulsanitätsdienst
  • Schulprojekt: Bewegte Aliceschule
  • Projekt: „Erste Hilfe“ bei Konflikten/in Krisenfällen

Falls die Konzepte Selbstverpflegung sowie Schülerinnen und Schüler kochen für Schülerinnen und Schüler für eine Schule interessant sind, ist es hilfreich, dass dieser Wunsch von vielen Personengruppen gleichzeitig getragen und verfolgt wird. Denn die Umsetzung kann niemand alleine schaffen – vielmehr braucht es einen breiten Konsens unter Lehrkräften, dem Elternbeirat, der Schulleitung sowie den Schülerinnen und Schüler. Zuletzt bleibt allerdings zu sagen: Eine Umsetzung lohnt sich immer!

Einblicke in die Schulverpflegung

Aliceschule

Sprechen Sie uns an!

Von Schule zu Schule

Persönlicher Erfahrungsaustausch

Ein persönlicher, kollegialer Erfahrungsaustausch ist immer dann besonders wichtig, wenn Schulen vor dem nächsten Entwicklungsschritt stehen und Fragen zur Erfahrung in ähnlicher Situation haben.

Zur Vertiefung: Schulalltag und Praxis

Schlagworte zum Thema