Verschiedene Gemüsesorten, denen mit Strichlinien Arme und Hände gemalt wurden, und die durchs Bild laufen

Ein Weltladen geführt von Schülerinnen und Schülern der Eduard-Stieler-Schule (Fulda)

Fairer Handel muss nicht immer nur theoretisch im Unterricht thematisiert werden. Die Eduard-Stieler-Schule zeigt, wie Schülerinnen und Schüler praxisnah durch das Betreiben eines eigenen Weltladens Grundsätze des fairen Handels verankern.

Lesedauer:5 Minuten

Das geleistete Engage­ment der Schülerinnen und Schüler wird sichtbar gemacht – das ist uns wichtig.

Christian Quanz Eduard-Stieler-Schule

Das Interview: 

Wie gelingt es Schülerinnen und Schüler für die Bedeutung eines fairen Handels zu sensibilisieren und das Thema praxisnah in den Schulalltag zu integrieren? Die Eduard-Stieler-Schule, eine Berufliche Schule aus dem Landkreis Fulda, hat darauf eine ganz eigene Antwort gefunden: die Weltladen AG. Studienrat und Diplom-Oecotrophologe Christian Quanz teilt in diesem Interview die Erfahrungen der Schule und gibt Anregungen für die eigene Umsetzung.

Weltladen AG, Bildung für nachhaltige Entwicklung

Wir haben nachgefragt!

Wir wollten unseren Schülerinnen und Schülern, den Lehrkräften und auch den Eltern Alternativen zum bestehenden Konsumverhalten aufzeigen, damit sie zukünftig nachhaltig (ökonomisch, ökologisch und sozial) handeln. Das Projekt „Weltladen AG“ bettet sich dabei in die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ein, mit dem Ziel Menschen zu zukunfts­fähigem Denken und Handeln zu befähigen und die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen. Mit der Weltladen AG können wir den Schülerinnen und Schülern praktisch globale Verpflechtungen aufzeigen und zudem globale Themen mit lokalen Aspekten vernetzen.

Weltläden sind Geschäfte in denen ausschließlich fair gehandelte Produkte, wie Kaffee, Schokolade oder Kunsthandwerk, verkauft werden. Dabei werden durch den Verkauf neben dem sicherstellen eines gerechteren Verdienst für die Produzentinnen und Produzenten in den Ländern auch auf Ungerechtigkeiten im Welthandel durch Informations- und Bildungs­arbeit aufmerksam gemacht

Unser Projekt „Weltladen AG“ läuft seit 2008 und aktuell arbeiten 20 Schülerinnen und Schüler in der AG. Die Weltladen AG umfasst neben dem Verkauf und der Auswahl der fairen Produkte aus dem Fuldaer Weltladen auch globalisierungskritische Stadtrundgänge, welche die Schülerinnen und Schüler der Weltladen AG für die Schulgemeinde durchführen. Dabei werden auf die Zusammenhänge zwischen der Globalissierung von Produktionsketten und dem Konsumverhalten aufmerksam gemacht. In der AG werden auch Vorträge externer Partnerinnen und Partner geplant, wie zum Beispiel dem Fuldaer Weltladen oder dem Umweltzentrum. Ein- bis zweimal im Monat trifft sich die AG in den Pausen, um sich zu besprechen und Aufgaben zu verteilen.

Unser Weltladen hat an zwei Tagen in der Woche, am Dienstag und Donnerstag, jeweils in der großen 30-minütigen Pause geöffnet. Der Verkaufsstand auf Rollen wird dann in die Aula gefahren und die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte können einkaufen. Bezahlt wird mit Bargeld. Es werden dort vor allem ergänzende Produkte zu unserem Schulbistro ange­boten, zum Beispiel Studentenfutter, verschiedene Riegel oder auch Schokoladentafeln.

Die Schülerinnen und Schüler der Weltladen AG sind interessiert und motiviert. Durch die regelmäßigen Treffen aller Mitglieder sind immer alle informiert und wissen welche Aufgaben sie haben. Die Treffen finden allerdings nur in der Pause statt, da es sich bei der Weltladen AG um eine freiwillige AG handelt. Am Nachmittag haben viele der AG-Teilnehmenden andere Verpflichtungen, weswegen die Treffen in der Pause organisiert sind. Hier können sich die Schülerinnen und Schüler auch in den Dienstplan, einen Kalender, für den Verkauf eintragen. In der Regel funktioniert das auch sehr gut und wir haben den Verkaufsstand mit zwei Schülerinnen und Schülern besetzt. Sollte eine oder einer kurzfristig doch ausfallen, kann dies in unserer Messenger-Gruppe gemeldet werden. Bis jetzt hat sich immer Ersatz gefunden. Natürlich „kontrolliere“ ich ab und zu in den entsprechenden Pausen, ob und wie der Verkauf stattfindet.

Für die Produktauswahl besuche ich gemeinsam mit den AG-Mitgliedern den Fuldaer Welt­laden. Hier können die Schülerinnen und Schüler stöbern und neue Produkte für den Verkauf aussuchen. Ich berate dabei, welche Waren sich gut in der Schule verkaufen lassen. Da wir beispielsweise auf verschlossene Produkte zurückgreifen, die ohne Kühlung gelagert werden können, entfallen die Hygieneauflagen.

Musikinstrumente und Alkohol eignen sich nicht für den Verkauf in der Schule. Die ausge­wählte Ware aus dem Fuldaer Weltladen erhalten wir auf Kommission. Aus unserem Verkaufs­erlös zahlen wir die Ware. Die Schülerinnen und Schüler sagen mir Bescheid, wenn ihnen während des Pausenverkaufs auffällt, dass ein Produkt fehlt. Ich hole die fehlenden Produkte dann wieder aus dem Weltladen in Fulda.

Allen Schülerinnen und Schülern an unserer Schule ist die Möglichkeit gegeben, in die Welt­laden AG einzutreten. Einmal im Jahr bereiten die bestehenden Mitglieder der Weltladen AG zum Schuljahresbeginn im August oder September einen Vortrag vor, in dem die Arbeit vor­gestellt wird und den sich drei bis vier Klassen ansehen. Wer dann Interesse hat dabei zu sein, kann sich bei uns bewerben, indem sich in eine Liste eingetragen wird. Die interes­sierten Schülerinnen und Schüler erhalten dann eine genauere Beschreibung der Aufgaben. Grundsätzlich können sich also alle die möchten in die Weltladen AG einbringen. Durch den Weltladen Fulda haben wir auch Kontakte zu verschiedenen Organisationen wie COMUCAP, einer Frauenorganisation, die sich für eine finanzielle Besserstellung von Frauen und zur Verteidigung der Frauenrechte einsetzt, geknüpft. Diese halten ebenfalls jährlich in unserer Schule Vorträge. Die Tätigkeiten in der Weltladen AG werden von den Mitgliedern ehren­amtlich ausgeführt, welche auf einer Liste notiert werden. Für jede Tätigkeit können die Jugendlichen Punkte sammeln, zum Beispiel gibt es für die Teilnahme am AG-Treffen zwei Punkte, für das Anfertigen von Plakaten oder Flyern 15 Punkte und die Vorstellung der AG wie beim Tag der offenen Tür vier Punkte. Haben die Schülerinnen und Schüler in einem Schuljahr 33 Punkte gesammelt, wird die Teilnahme an der AG im Zeugnis vermerkt, ab 43 Punkten wird ihnen für ihr Engagement eine Urkunde ausgestellt. Das geleistete Engage­ment der Schülerinnen und Schüler wird so sichtbar gemacht – das ist uns wichtig.

Eine Weltladen AG mit fair gehandelten Lebensmitteln ergänzt die Produktpalette des Schul­kiosks, in dem bis auf Ausnahmen viele Lebensmittel einen kommerziellen Ursprung haben. Dabei ist es wichtig, dass Schülerinnen und Schüler an den Planungen, der Organisation und der Durchführung beteiligt sind. Denn was Schülerinnen und Schüler für ihre Mitschüler­innen und Mitschüler erarbeiten, nimmt einen höheren Stellenwert ein, als von außen Hineingetragenes. Da jemand gleichen Alters eine Alternative anbietet, wirkt es nicht wie eine kategorische Bevormundung durch Lehrkräfte. Schülerinnen und Schüler können so für einen fairen Handel im Schulalltag sensibilierst werden und die Schule nach außen präsentieren. Zu guter Letzt wird dadurch die Akzeptanz der Produkte und des Verpflegungs­angebots gesteigert.

Die freiwillige Einwahl in die Weltladen AG bietet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, Kompetenzen in verschiedenen Bereichen zu erweitern.

Die Schülerinnen und Schüler befassen sich mit möglichst vielen Aspekten der verschie­denen Akteurinnen und Akteuren des Fairen Handels. Die ökonomischen Zusammenhänge sind von zentraler Bedeutung als Ursache vieler ökologischer und gesellschaftlicher Probleme in unserer Zeit. Die Grundlagen hierfür sind die auf der wirtschaftlichen Ebene begangenen Entscheidungs­prozesse nachzuvollziehen und diese als mündige Bürgerin bzw. als mündiger Bürger zu durchdenken. Die AG-Mitglieder können die Folgen der auf dem Markt getroffenen ökonomi­schen Entscheidungen abschätzen und benennen. Dabei spannen sie den Bogen zwischen der globalen Entwicklung zu ihrem eigenen Lebensstil und ihren Konsumgewohnheiten. Außerdem können sie die Folgen internationaler wirtschaftlicher Verflechtungen für die eigene Lebenswelt einschätzen und beschreiben. Ein Erkennen dieser Zusammenhänge kann zum einen die Motivation und das Interesse für ihre Arbeit in der Weltladen AG deutlich erhöhen und zum anderen das Verständnis für viele Sachverhalte, im privaten wie im später folgenden beruflichen Bereich, verbessern. Dieses Wissen geben sie dann auch an andere Schülerinnen und Schüler in Form von Aktionen zur Verbraucherbildung (Globalisierungs­kritische Stadtrundgang) und beim Verkauf von fair gehandelten Lebensmitteln weiter, um die Außenstehenden für die Problematik zu sensibilisieren.

Ein bedeutendes Kriterium für einen Weltladen AG ist die Nachhaltigkeit. Wird ein solches Projekt mit einer Schulklasse durchgeführt, so ist es spätestens dann beendet, wenn die Klasse oder die Lehrkraft die Schule verlässt. Eine neue Lehrkraft müsste erst einmal gewonnen werden, um sich mit der Lerngruppe einzuarbeiten und das Projekt weiterzu­führen. Sollte die Lehrkraft an der Schule bleiben, müsste erst eine neue Klasse von dem Verkauf von fair gehandelten Lebensmitteln und dem Überdenken des eigenen Konsums überzeugt werden. Dies ist nicht Sinn der Sache, denn es geht hier um den eigenen freien Willen der Schülerinnen und Schüler.

Da es sich bei der Weltladen AG um eine freiwilige AG handelt, ist es empfehlenswert den Schülerinnen und Schüler auch Ihre Freizeit zu lassen. Aus diesem Grund finden unsere regelmäßigen Treffen auch nicht Nachmittags sondern in Pausen statt. Dabei hat sich gezeigt, dass es sinnvoll ist, einen festen Wochentag für die Treffen festzulegen.

Größere Herausforderungen konnten wir bisher nicht feststellen. Dadurch, dass wir nur die Produkte bezahlen, die wir auch verkaufen, entstehen uns keine Umlagen.

Aspekte, auf die trotzdem Acht gegeben werden müssen, sind zum Beispiel die Kontrolle der Mindesthaltbarkeitsdaten der Ware bei längeren Lagerzeiten.

Vor den Sommerferien veranstalten wir jedes Schuljahr eine Projektwoche für die Fachober­schule und das Berufliche Gymnasium, in denen die Klassen zu Themen wie virtuelles Wasser (Wasser das zur tatsächlichen Herstellung von Produkten anfällt) und Landgrabbing (Aneignung von Land in Entwicklungsländern durch Kauf oder Pachtung von ausländischen Konzernen) arbeiten. Diese Aktivitäten sind für jedes Schuljahr fest eingeplant.

Unsere Schule hat auch eine Arbeitsgruppe zum Thema Nachhaltigkeit, in der zurzeit vier Lehrkräfte arbeiten. Diese besuchen unter anderem Fortbildungen zum Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung oder führen selber welche für das Kollegium durch. In regelmäßigen Treffen erfassen wir den Satus Quo. Die Arbeitsgruppe "Nachhaltigkeit" doku­mentiert ihre Projekt-Aktivitäten, informiert regelmäßig das Kollegium und bindet diese mit ein.

Die Einrichtung einer Weltladen AG lässt sich an weiterführenden Schulen gut umsetzen. Die Jugendlichen sind alles andere als abgeneigt, sich für solche Themen außerhalb des Unterrichts einzubringen. Durch die ehrenamtliche Leistung distanziert sich dieses Modell von der unterrichtsgetragenen "Pflicht". Den Schülerinnen und Schülern sollte die Möglichkeit gegeben werden sich selber einzubringen.

Bildergalerie: Einblicke in die Weltladen-AG

Schülerinnen und Schüler der Weltladen-AG mit Urkunden

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Von Schule zu Schule

Persönlicher Erfahrungsaustausch

Ein persönlicher, kollegialer Erfahrungsaustausch ist immer dann besonders wichtig, wenn Schulen vor dem nächsten Entwicklungsschritt stehen und Fragen zur Erfahrung in ähnlicher Situation haben.

Kontakt

Die Eduard-Stieler-Schule teilt ihre Erfahrung gerne mit anderen Schulen, die sich auf den Weg machen möchten. 

Christian Quanz
Eduard-Stieler-Schule
E-Mail: Christian.Quanz@schule.hessen.de

Zur Vertiefung: Schulalltag und Praxis

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